Auswahl und Zusammenfassung aktueller Studien
Thema 2: Neuer Biomarker bei Wachstumshormonmangel
Neuer Biomarker als mögliches Bindeglied
zwischen Wachstumshormonmangel und
Entzündung identifiziert
Identification of Haptoglobin as a Readout of rhGH Therapy in
GH Deficiency
De Feudis M, Walker GE, Genoni G, Manfredi M, Agosti E, Giordano M, Caputo M, Di Trapani L, Marengo E, Aimaretti G, Filigheddu N, Bellone S, Bona G, Prodam F.
J Clin Endocrinol Metab 2019; 104: 5263–5273.
Zusammenfassung
Wachstumshormon (GH) regt nicht nur das Wachstum an, sondern ist auch ein pleiotropes Hormon mit zentraler Funktion im
Stoffwechsel. GH antagonisiert die Insulinwirkung, stimuliert die Lipolyse, Glukoneogenese und Glykogenolyse und soll auch
entzündungshemmende Eigenschaften haben. Bei einem Wachstumshormonmangel tritt dementsprechend ein Zustand
der metabolischen Dysregulation ein, der mit einem Cluster kardiovaskulärer Risikofaktoren wie zentrale Adipositas und
Insulinresistenz sowie mit chronischer Inflammation verbunden ist.
Die vorliegende Studie hatte das Ziel, mit einem proteomanalytischen Ansatz Entzündungsmarker bei 10 Kindern mit
Wachstumshormonmangel zu identifizieren. Bei der Baseline- Untersuchung sowie nach dem Beginn einer GH-Behandlung
wurde das Plasmaproteom mittels zweidimensionaler Elektrophorese analysiert, um die am stärksten durch GH regulierten
Substanzen zu identifizieren. Zur Validierung der Ergebnisse wurden in vitro Studien an menschlichen Hepatomzellen
(HepG2-Zellen) durchgeführt. Als Hot Spot bei den Proteomanalysen erwiesen sich die α- und β-Isoformen von Haptoglobin.
Dies wurde durch Flüssigchromatographie/Tandemmassenspektrometrie und Western-Blot-Analysen bestätigt. Bei den
Patienten mit Wachstumshormonmangel lagen
die Ausgangswerte der Haptoglobinspiegel vor
der Behandlung über denen von 14 gematchten
Kontrollpersonen und nahmen nach der GH-Behandlung
signifikant ab. In den HepG2-
Zellen wurde die durch Interleukin-6 induzierte
Haptoglobinsekretion sowohl durch GH als auch
durch IGF-1 herabreguliert.
Die Autoren schließen daraus, dass Haptoglobin
bei der wachstumshormonmangelbedingten
Inflammation eine Rolle spielt. Sie postulieren
darüber hinaus, dass Haptoglobin möglicherweise
als Biomarker für die GH-Behandlung geeignet ist.
Die Expertenmeinung
In der hier vorgestellten Studie wurde das Akutphaseprotein Haptoglobin als Biomarker für den Wachstumshormonmangel identifiziert und seine Beziehung zur chronischen Inflammation dargestellt. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass Haptoglobin Hämoglobin bindet und abtransportiert und selbst durch Abläufe der Akutphaseinflammation reguliert wird. Daher sind wahrscheinlich noch weitere Faktoren an den Wechselbeziehungen zwischen Haptoglobin, Wachstumshormonmangel und chronischer Entzündung beteiligt und die Studiendaten können nicht belegen, ob Haptoglobin die Ursache oder Folge der chronischen Entzündung beim Wachstumshormonmangel ist. Trotz dieser Einschränkungen bietet die Studie die klinische Perspektive, Haptoglobin – ebenso wie die IGF-1-Messung – als Biomarker für die Adhärenz bei der GH-Behandlung zu nutzen. Darüber hinaus könnten Messungen des Haptoglobinspiegels möglicherweise die Entscheidung zur GH-Substitution auch nach Erreichen der Endgröße unterstützen. Weitere Studien sind erforderlich, um diese Hypothesen zu belegen.